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Dr. med. Heinz Esser:
Die Hölle von Lamsdorf
Dokumentation über
ein polnisches Vernichtungslager
"Zwischen Oppeln und Neiße lag das polnische Internierungslager für
Deutsche, Lamsdorf. In der Geschichte Oberschlesiens bedeutet es einen monumentalen
Grabstein, unter dem Tausende von Oberschlesiern, Männer, Frauen und Kinder,
nach grauenvollen Erlebnissen und qualvollen Leiden ruhen, für Polen aber ist es ein
Schandmal, errichtet nach Beendigung des Krieges im Juli 1945, zu einem Zeitpunkt, an
dem in Deutschland die Kriegsverbrecher und Verbrecher an der Menschlichkeit ihrer
Aburteilung und einer gerechten Strafe [gerecht? Darüber
läßt sich streiten. Anm. d. Scriptorium] entgegensahen.
Lamsdorf war ein Vernichtungslager..."
So beginnt der Bericht des ehemaligen Lamsdorfer Lagerarztes Dr. med. Heinz Esser.
Doch obwohl eine von Deutschlands
größten Massenblättern, die Bild-Zeitung, das Thema aufgriff und
am 19. Mai 1990 folgenden Artikel brachte, ist sogar die Existenz dieses
Vernichtungslagers noch immer weitgehend unbekannt.
Abschrift:
Zum erstenmal sprechen Polen über Nachkriegs-
Verbrechen an Deutschen:
Menschen in Fässern zu Tode gerollt
Von Joachim Rienhardt
Sechs Kriegsjahre (1939 bis
1945) war Polen von Deutschen besetzt. Unzählige
Verbrechen wurden in dieser Zeit an Polen begangen. [Ja,
sicher - denn
die Bild-Zeitung will sich ja nicht strafbar machen. Anm. d. Scriptorium] Was
danach geschah, ist bis heute ein Tabu-Thema
geblieben - die Grausamkeiten an Deutschen.
Jetzt sprechen Polen zum ersten Mal darüber. "Auch wir müssen unsere Geschichte
aufarbeiten", sagt der polnische Politologe Walter Swierc (56). Die Gerichtsakten über
das
Lager Lamsdorf (Oberschlesien) wurden jetzt freigegeben. 6488 Deutsche wurden
dort umgebracht - erschossen, erhängt, verbrannt, in Fässern zu Tode gerollt. BILD
sprach mit Überlebenden in Polen:
Polnische Verbrechen an Deutschen
Häftlinge mit Gewehrkolben ins Feuer getrieben
Am Holzzaun
des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Lamsdorf (Oberschlesien, heute Lambinowice)
hängt ein Schild in verwaschenem Rot: "Staatliche Hühnerfarm". Dahinter,
zwischen
Akazien und Buchen, blühen Vergißmeinnicht auf einer Wiese. Abends spielt hier
die Dorfjugend Fußball.
Sie spielen auf dem Massengrab
der deutschen Opfer von Lamsdorf; 6488 Leichen sind hier verscharrt. "Die Kapos waren
kriminelle Lustmörder", sagt der polnische Politologe Walter Swierc (56).
Was im Lager geschah,
enthüllen Gerichtsakten, die erst jetzt von der polnischen Geheimpolizei freigegeben
wurden. Swierc arbeitet an einem Buch darüber: "Frauen, die nebeneinander saßen,
wurden von hinten erschossen." Aufseher ritzten Insassen (meist Bauern) Hakenkreuze in die
Haut, sperrten sie tagelang in Keller, in denen fauliges Wasser ein Meter hoch stand.
Die Bäuerin Agnes
Haiduk (72) wohnt nur einen Kilometer entfernt. Sie steht gebückt in ihrer
Wohnküche in Lamsdorf, Haus Nummer 16. "Sie holten uns morgens um acht. Sie trieben
das ganze Dorf in einer langen Kolonne ins Lager." Das war am 8. Februar 1946. Es hatte
geschneit, 20 Grad minus. Die Mutter von fünf Kindern hatte ihren
Kleinsten, Karl-Heinz (3), auf dem Arm. Er weinte.
Bäuerin Haiduk ist die
einzige der 400 Deutschen aus Lamsdorf, die das Lager bis heute überlebt hat. Sie
vergräbt ihr Gesicht in beide Hände, spricht im Flüsterton: "Meinem Mann
haben die Aufseher einen Stahlhelm aufgesetzt und mit dem Vorschlaghammer
draufgeschlagen."
Emanuel Haiduk, Postassistent, erblindete. Andere bekamen einen glühenden Stahlhelm
aufgesetzt. Sie waren sofort tot.
"Ihr müßt alle dran glauben"
Einmal kam ein Kommandant in
die Baracke: "Wenn der da drüben nicht in einer Stunde tot ist, müßt ihr alle
dran glauben." Der Angesprochene war Gastwirt. Er erhängte sich selbst, um die anderen
zu retten. Maria Springer (87), Bäuerin
aus Ellguth-Hammer: "Meinen Nachbarn steckten sie in ein Faß, in das von außen
Nägel eingeschlagen waren. Sie rollten das Faß so lange, bis er tot war." Landwirt
Karl Kaplytta (68) erinnert sich genau an die Nacht vom 4. Oktober 1945. Die Kommandanten
zündeten Baracke 12 an, trieben Häftlinge mit Gewehrkolben zum Löschen.
"Dann stießen sie sie ins Feuer."
Er war auch als Zeuge im
Prozeß gegen Lagerleiter Czeslaw Geborski und dessen Stellvertreter Ignacy Szypulla
geladen. Das war 1957. Er sagte nichts, aus Angst. Die zwei Kommandanten wurden
freigesprochen. Der Stellvertreter, ein Alkoholiker, stürzte im Rausch vor 18 Jahren vom
Balkon im siebten Stock eines Krankenhauses. Geborski (heute 70), der
Chef, Ex-Oberst der polnischen Stasi, lebt heute unter dem falschen Namen Sucho in der
"Straße des 1. Mai" in Kattowitz, Hausnummer 48, dritter Stock. Er sagt: "Ich weiß
nichts mehr. Ich bin schwer herzkrank."
Noch dieses Jahr werden die
Leichen der Lageropfer exhumiert. Am Fußballplatz der Dorfjugend von Lamsdorf ist ein
Mahnmal geplant.
Im vorliegenden Buch kommen u.a. ehemalige Häftlinge, Historiker und nicht zuletzt der
Lagerarzt Dr. Esser zu Wort. Warnung - nur für Leser mit starken Nerven!!
(127 S., 14.5 x 21 cm, kartoniert, mit Tabellen und 2 Grafiken)
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