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Hugo Wellems:
Das Jahrhundert
der Lüge
Von der Reichsgründung
bis Potsdam 1871-1945
"Während des Zweiten Weltkrieges rechtfertigte der britische Premier Winston
Churchill die Propaganda gegen Deutschland mit der witzig scheinenden Anmerkung: die
Wahrheit sei ein so kostbares Gut, daß man sie mit einem Schutzwall von Lügen
umgeben müse. Der Titel dieses Buches von Hugo Wellems erinnert aber nicht nur an
diesen Satz von Churchill, sondern auch an die naheliegende Frage: läßt sich
denn die Wahrheit mit Hilfe von Lügen sichern und schützen? Oder ist sie nicht
vielmehr das erste Opfer jener Lumpereien, mit denen sie behütet werden sollte?
Das Friedensdiktat von Versailles wirkte sich auf Deutschlands Position im Verhältnis
zu den anderen Mächten ebenso verheerend aus wie auf die innere Situation der
Republik. Die katastrophale Selbstzerfleischung des Deutschen Reiches war eine
unmittelbare Folge von Versailles, in erster Linie die Folge der zentralen Lüge, mit
der die Friedensbestimmungen der Pariser Vorortverträge begründet wurden:
mit der alleinigen Schuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg. Die ungeheueren
Reparationslasten, die der Versailler Vertrag Deutschland auferlegte, wurden aus dem
berüchtigten Schuldartikel 231 abgeleitet: "Die alliierten und assoziierten Regierungen
erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine
Verbündeten als Urheber aller Verluste und aller Schäden verantwortlich sind,
welche die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen infolge des
ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen
Krieges erlitten haben."
Etliche deutsche Historiker, die sich im Dienste der Selbsterniedrigung wohler fühlten
als im Dienste der Sachlichkeit, bezeichneten später den Versailler Schuldartikel als
eine Belanglosigkeit; die Sieger des Ersten Weltkrieges sahen das jedoch anders. Am 3.
März 1921 erklärte der britische Premierminister David Lloyd George:
"Für die Alliierten ist die deutsche Verantwortung für den Krieg grundlegend;
sie ist das Fundament, auf dem der Bau von Versailles errichtet wurde. Wenn dies
abgelehnt oder aufgegeben wird, ist der Vertrag zerstört."
Heute geht es bei dieser Frage nicht mehr darum, ob eine solche Schuld tatsächlich
bestand oder nicht. Es geht darum, daß durch den Schuldparagraphen 231 eine
beispiellose Diskriminierung Deutschlands festgeschrieben wurde und daß dies die
schwerwiegendsten Folgen über viele Jahre hinweg hatte. Die Texte, die Hugo
Wellems dazu vorlegt, sind für diese Feststellungen von einer schlagenden
Beweiskraft. An ihnen läßt sich das ganze Ausmaß der Komplikationen und
Ausweglosigkeiten ablesen, die sich aus den Versailler Bestimmungen für die
Weimarer Jahre ergaben und die auch unweigerlich zum Hintergrund des Dritten Reiches
gehörten, das sich bündig an die Weimarer Republik anschloß. So gut wie
die gesamte Innenpolitik seit 1919, die Inflation, die deutschen Versuche, sowohl durch
Ausgleich und Zusammenarbeit mit dem Osten als auch durch Kooperation und
Versöhnung mit dem Westen Freiräume zurückzugewinnen, in denen
wiederum eigenständige politische Aktivität möglich
war - der ganze Alltag der Weimarer Republik wurde durch Versailles und seine
Auswirkungen bestimmt.
Die Texte, die Hugo Wellems für die Zeit zwischen 1939 und der Konferenz in
Potsdam 1945 aus Akten- und Quellenveröffentlichungen, aus Memoiren und
Protokollen zusammengestellt hat, bilden den Schlußstein einer
Dokumentensammlung, die in ihrer Dichte und Aussagekraft eine unersetzliche, eine
fundamentale Berichtigung der heutigen Zeitgeschichtsschreibung darstellt. Wer auf den
ersten Blick den Titel des Buches als eine Provokation empfindet, wird durch die
Lektüre eines Besseren belehrt - das heißt: nicht diese Sammlung ist eine
Herausforderung, sondern eine Provokation ist die jahrzehntelange methodische
Verzerrung bei der Wiedergabe der geschichtlichen Tatbestände zu Lasten
Deutschlands. Da sie auch ihren amtlichen Niederschlag in den Geschichtsbüchern und
weithin auch ihren Platz in den Rahmenrichtlinien des Unterrichts gefunden hat, bilden die
Quellentexte von Hugo Wellems ein Korrektiv, dessen Bedeutung nicht hoch genug
veranschlagt werden kann. Denn es geht dabei nicht etwa nur um die Berichtigung einer
verfälschten Perspektive, sondern es geht darum, der "Wahrheit" selbst das Wort zu
erteilen, oder - um Winston Churchill die ihm und nur ihm gebührende Reverenz zu
erweisen - den Schutzwall der Lügen, der nun schon seit so vielen Jahrzehnten vor der
Wahrheit aufgetürmt wurde, endlich und ein für allemal
wegzuräumen."
Dieses Buch liest sich wie eine Antwort auf die ständigen Bußreden des
Bundespräsidenten v. Weizsäckers. So zitiert Wellems z.B.
die US-amerikanische Besatzungsdirektive JCS/1067: "Deutschland wird nicht besetzt, um
befreit zu werden, sondern als eine besiegte Feindnation."
(Auszüge aus dem
Vorwort von Hellmut Diwald sowie dem Einbandtext.)
(255 S., 13.5 x 21 cm, kartoniert, zahlreiche Dokumentennachdrucke)
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