|
Eva Donga-Sylvester,
Günter Czernetzky, Hildegard Toma (Hg.):
"Ihr verreckt hier
bei ehrlicher Arbeit!"
Deutsche im GULAG 1936-1956
Anthologie des Erinnerns
Der Archipel GULag, das über ganz Rußland verbreitete System
der sowjetischen Straflager, ist erst durch Alexander Solshenizyn in seinem
ganzen Ausmaß bekanntgeworden. Viele Überlebende haben
inzwischen durch ihre Erlebnisberichte das Leben in diesen Lagern im
einzelnen geschildert. Wenig bekannt ist jedoch, daß auch 100.000
Deutsche und Österreicher in der Stalinzeit im GULag härteste
Strafarbeit leisten mußten. Der GULag diente dem Sowjetsystem
langfristig auch dazu, die politischen Gefangenen als "Feinde der
Sowjetunion" durch Arbeit zu vernichten. Dieses Lagersystem für
verurteilte politische und kriminelle Häftlinge ist nicht zu verwechseln
mit den unzähligen Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlagern, in
denen auch die "Arbeitsarmee" der Volksdeutschen und nach dem Krieg die
Verschleppten aus dem deutschen Osten und dem Balkan konzentriert
waren.
Die drei Autoren Eva Donga-Sylvester, Günter Czernetzky und
Hildegard Toma haben für diese Anthologie aus unzähligen
Dokumenten und Erinnerungen von Zeitzeugen 50 Einzelberichte
ausgewählt. Diese sind nach Themenkreisen, wie
Verhaftung - Verhör - Verurteilung,
Lagerleben - Arbeit, Kriminalität - Sexualität oder
Hygiene - Krankheit - Tod gegliedert.
Die deutschen GULag-Häftlinge kamen aus ganz verschiedenen
Bereichen. Den Anfang machten ansässige Volksdeutsche und deutsche
Kommunisten, die in der Sowjetunion ihre neue Heimat gefunden hatten. Im
Krieg folgten ihnen verurteilte deutsche und österreichische
Kriegsgefangene, nach dem Krieg deutsche Männer und Frauen aus
der SBZ bzw. DDR, die dort von den sowjetischen "Organen" verhaftet,
verurteilt und zur Strafverbüßung in den GULags
überstellt wurden. Schließlich sind noch die Volksdeutschen und
deutsche Zivilisten aus den von der Sowjetunion besetzten Gebieten, vor allem
aus Polen, Rumänien und Jugoslawien, zu nennen, die wegen
"antisowjetischer" Handlungen verhaftet wurden.
Die Entlassungen aus den Lagern begannen nach dem Tod Stalins und
wurden mit der Auflösung des GULags 1956 beendet. Durch das
russische Gesetz "Über die Rehabilitierung von Opfern politischer
Repression" vom Oktober 1991 ist die Überprüfung aller
vorliegenden Strafakten in Gang gekommen. Bis 1999 sind 7.500 deutsche
und österreichische Strafegefangene rehabilitiert worden.
Erschütternd sind die Aussagen der Zeitzeugen, aus denen die ganze
Brutalität und die fürchterlichen Lebensbedingungen der Lager
hervorgehen. Die Schilderungen über die barbarischen Folterungen bei
den Verhören, den ungehinderten Terror der Kriminellen, über
Hunger, Kälte und Erniedrigung seien vor allem der Generation
empfohlen, die sich den gewaltigen Unterschied dieser Zeit gegenüber
der Wohlstandsgesellschaft unserer Tage nur schwer vorstellen kann.
Eine wertvolle Ergänzung des Bandes sind der historische Anhang mit
Übersichten über die sowjetische Strafgesetzgebung und die
Struktur der Lager, die Biographien der Zeitzeugen und eine Bibliographie.
Fotos, Skizzen und die Wiedergabe von Dokumenten tragen ganz wesentlich
zum Verständnis der einzelnen Berichte bei. Günter Czernetzky
ist auch der Autor der Dokumentarfilme "Deutsche im GULag" (SDR) und
"Workuta 1953 / Rebellion im Straflager" (ARD). Mit dem Buch und dem
Film haben die Autoren ein weitgehend unbekanntes Kapitel der deutschen
Geschichte erschlossen.
(Buchbesprechung aus der Zeitschrift Nation Europa, Ausgabe
2/52.)
(367 S., 17.5 x 24.5 cm, gebunden, mit ca 50 s/w-Fotos, Abbildungen und
Faksimiles)
|